Augenschmaus und was auf die Ohren

„Vom stotternden Zilpzalp und anderen schrägen Vögeln“

Insgesamt 32 Vogelarten ließen sich am Muttertagsmorgen bei der Vogelstimmenwanderung der NABU-Ortsgruppe Lengfeld hören und / oder sehen, als wir mit 14 Gästen gut zwei Stunden lang in der Lengfelder Gemarkung gemächlich wanderten. Klaus Hillerich, unser fachkundiger Führer, schätzte die Menge an Vogelbeobachtungen als sehr gutes Ergebnis ein. Er hat den Ausflug durch seine Anekdoten aus jahrzehntelanger Erfahrung im Beringen von Jungvögeln zu einem lehrreichen und unterhaltsamen Ereignis gemacht.

Einige Beispiele aus der Fülle der Eindrücke: Wir konnten auf einem weiten Feld in der Nähe der Bahnbrücke Richtung Groß-Umstadt eine wunderschöne gelbe Schafsstelze entdecken, die erhöht auf einem Halm hockte, nachdem wir zuvor ihren eher unauffälligen einsilbigen Ruf gehört hatten. In der Nähe einer Steinkauzbrutröhre wurden wir durch das aufgeregte Umherhüpfen einer Kohlmeise, von Warnrufen begleitet, dazu gebracht, die mitgeführten Ferngläser auf die dortigen Bäume zu richten, und konnten so tatsächlich den kleinen braunen Steinkauz auf einem Ast entdecken. Ein einfach zu bestimmender Vogel ist der Zilpzalp, der normalerweise seinen Namen mehrfach vor sich hinplappert – nicht so in Lengfeld, da stottert er auch schon mal. Das hört sich dann in etwa so an: „Zi-ilp-zalp-zi-ilp-zalp.“

Vier verschiedene Grasmückenarten (Vögel, keine Stechinsekten!) ließen sich hörend mithilfe der guten Umschreibungen von Herrn Hillerich identifizieren, einige bei den Brühelgärten: „Die Dorngrasmücke legt mit ihrem Gesang überfallartig los, die Gartengrasmücke dagegen schwätzt hektisch, als hätte sie zu heiße Klöße in der Kehle. Die Mönchsgrasmücke singt am schönsten, das geht schon in Richtung Nachtigall. Und die Klappergrasmücke klappert wie ein Mühlrad.“ Das klingt einsilbig trillernd mit mehreren Wiederholungsschleifen, so gehört bei den Gärten oberhalb des Borngrabens. Wenn man einen langgezogenen einsilbigen Ruf hört und meint, es sei der schöne gelbe Pirol, so kann das täuschen, denn Stare sind große Künstler im „Spotten“, so nennt man die Fähigkeit, viele andere Stimmen zu imitieren. Herr Hillerich kann das auch; er hat uns täuschend echt das „Gu-guu-guu-gugu“ der Ringeltaube vorgemacht, um die Ringeltaube ein klein bisschen zu ärgern und ihr einen Revierkonkurrenten vorzugaukeln. Denn schließlich dienen alle die eintönigen oder hochmelodiösen Gesänge der Revierabsicherung! Beim Steinkauz verzichtete Herr Hillerich auf das Rufen und somit auf eine Störung des Vogels, „damit der nicht vergisst, dass er eigentlich Mäuse jagen wollte.“      

Was den Storchenbesatz angeht, so ist es äußerst erfreulich, dass nach dem kompletten Verschwinden der Störche seit den 1970er-Jahren inzwischen wieder über 1000 Brutpaare in Hessen heimisch sind. Herr Hillerich erklärte dazu: „Weitere Storchennester bereitzustellen ist nicht nötig. Die Störche haben in den letzten Jahren gelernt, ihre Nester auch auf Bäumen zu bauen.“

 

Fazit: Neben den dramatischen Entwicklungen des Verlusts an Artenvielfalt bei Insekten und Vögeln gibt es auch Erfolgsgeschichten wie die Rückkehr der Störche und Neuankunft einzelner weiterer Vogelarten. Dies betonte Herr Hillerich. Zum Glück gibt es rund um Otzberg noch Stellen, an denen die Lebensbedingungen für Wildtiere akzeptabel sind. Der Rückgang an Streuobstwiesengebieten ist allerdings dabei problematisch zu sehen. Was unsere kleine Wanderung betrifft: Wer bislang nur das Flöten der Amseln und Gezeter der Spatzen kannte, geht künftig mit geschärften Sinnen durch die Feldflur. Anfänger wie Erfahrene haben von Herrn Hillerichs breitem Wissensschatz enorm profitieren können.